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Channel: Seite 1710 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Im Gespräch mit Dr. Henning Kellner vom Krisenstab Havelland!

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Im Havelland koordiniert ein eigener Krisenstab das Corona-Vorgehen im gesamten Landkreis. Wie wohl der Alltag dieses Krisenstabs aussehen mag? Carsten Scheibe fragte nach, Dr. Henning Kellner gab als Leiter des Krisenstabs Auskunft. Der Havelländische Krisenstab besteht aus zehn Personen. Wer gehört genau dazu und warum wurden die Personen so ausgewählt?

Dr. Henning Kellner: „Dem Krisenstab gehören Mitarbeiter der Kreisverwaltung an, die für solche Einsätze geeignet und qualifiziert sind. Sie sind alle auch Mitglied im Katastrophenschutzstab des Landkreises, für den es jährlich verschiedene Ausbildungen gibt. Die Aufgaben gehen von der Organisation des internen Personals über die Beschaffung von Schutzausrüstung, der Dokumentation des Lagebildes bis hin zur Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Dies geschieht immer in Koordinierung der Zusammenarbeit der beteiligten Fachabteilungen des Landkreises sowie mit dem Landrat.“

Alle Mitglieder gehören auch dem Kata­strophenschutzstab des Landkreises an. Das bedeutet, der Krisenstab wurde kurzerhand Anfang März aufgrund der Corona-Pandemie aus dem Katastrophenschutzstab ausgegliedert. Womit beschäftigt sich der Katastrophenschutzstab ansonsten?

Dr. Henning Kellner: „Der Katastrophenschutzstab ist keine ständige Einheit, sondern wird nur im Katastrophenfall und im Großschadensfall einberufen. Die Hauptaufgaben des Katastrophenschutzes im Landkreis sind Maßnahmen zur Vorbereitung der Bekämpfung von Großschadensereignissen und Katastrophen sowie deren Abwehr. Grundsätzlich konzentriert sich der Katastrophenschutzstab des Landkreises Havelland auf die administrativ-organisatorischen sowie strategisch-operativen Maßnahmen. Das sind unter anderem die Wahrnehmung verwaltungsspezifischer Aufgaben, für die auf Grund rechtlicher Bestimmungen, finanzieller Zuständigkeiten und politischer Rahmenbedingungen die Einsatzkräfte zum Beispiel der Feuerwehr nicht zuständig sind. Aktuell handelt es sich nicht um einen Katastrophenfall und von daher ist nur eine kleine Auswahl von Mitgliedern des Katas­trophenschutzstabs für den Corona-Krisenstab im Einsatz.“

Im Krisenstab konferieren Sie täglich mitein­ander? Wie findet so eine Konferenz statt und welche Themen kommen dabei auf den Tisch? Wie haben sich die Themen von März bis Mai geändert?

Dr. Henning Kellner: „Es werden fast täglich Telefonkonferenzen mit unterschiedlichen Akteuren geführt. Derzeit tauschen wir uns dreimal wöchentlich mit dem interministeriellen Koordinierungsstab des Landes Brandenburg aus. An dieser Konferenz nehmen alle Landkreise Brandenburgs sowie themenbezogen die Ministerien des Landes teil. Ein weiterer wöchentlicher Austausch findet mit den Bürgermeistern und Amtsdirektoren des Landkreises statt. Der Stab nimmt außerdem an der vom Gesundheitsamt geführten Konferenz mit den Havelland Kliniken und dem Rettungsdienst teil. Daraus entstehen je nach Teilnehmerkreis die unterschiedlichsten Aufgaben – oft solche, die mit der Anwendung der Eindämmungsverordnung zusammenhängen.

Ein wichtiges Thema ist die Beschaffung von Schutzausrüstung, was vor allem zu Beginn der Pandemie sehr schwierig war. Am Anfang mussten wir auch schnell unser Gesundheitsamt personell verstärken, um die Nachverfolgung der Infektionsketten bewältigen und die Telefon-Hotlines besetzen zu können. Inzwischen geht es häufig um Detailfragen in bestimmten Bereichen, zum Beispiel um Auflagen für Gewerbetreibende oder in der Gastronomie. Für Gewerbe- und Sportbetriebe arbeiten wir auch maßgeblich an den Ausnahmegenehmigungen mit.“

Was sind ansonsten konkret Ihre täglichen Aufgaben? Treten Sie mit dem einzelnen Bürger in Kontakt?

Dr. Henning Kellner: „Für den direkten Bürgerkontakt haben wir verschiedene Telefonhotlines geschaltet. Hier können die Bürger des Landkreises direkt mit der Verwaltung Kontakt aufnehmen. Dieses Angebot wird gut angenommen. Gerade zu Beginn der Kontakteinschränkungen gab es viele Unsicherheiten in der Bevölkerung und bei den Gewerbebetrieben, die durch die Mitarbeiter der Hotlines geklärt werden konnten. Der Krisenstab wird nur bei Unklarheiten in der Auslegung der Eindämmungsverordnung hinzugezogen.“

Sie stehen im Austausch mit dem Gesundheitsamt, den Kommunen, der Bundeswehr und der Landesregierung. Wie können diese Institutionen Ihnen bei Ihrer Arbeit helfen? Oder umgekehrt?

Dr. Henning Kellner: „Seit Beginn der Pandemie herrscht, wie beschrieben, ein reger Austausch zwischen allen beteiligten Institutionen. Allein dieser Austausch hilft nach meiner Einschätzung allen Beteiligten bei der besonderen und nicht alltäglichen Aufgabenerfüllung. Die Kommunen zum Beispiel unterstützen uns erheblich bei der Kontrolle der Eindämmungsverordnung durch ihre Ordnungsämter.“

Sie verfassen einen täglichen Lagebericht. An wen wird der geschickt und was steht in ihm?

Dr. Henning Kellner: „In dem Lagebericht werden die tagesaktuelle Situation und die Entwicklung der Fallzahlen im Landkreis dargestellt. Es werden Problemlagen beschrieben, Entwicklungsprognosen auf­gezeigt, beschrieben, welche Maßnahmen eingeleitet werden und wie das weitere Vorgehen geplant ist. Hierzu werden zentral die Informationen von den verschiedenen beteiligten Institutionen zusammengetragen und allgemeine Handlungs- sowie Lösungsempfehlungen gegeben. Der Bericht geht an alle Bürgermeister und Amtsdirektoren des Landkreises sowie an die Ämter innerhalb der Verwaltung und an das Land Brandenburg.“

Nach all diesen Wochen Corona: Wie hat sich das Havelland geschlagen?

Dr. Henning Kellner: „Die Bürger des Havellandes waren sehr diszipliniert und haben sich überwiegend an die – für alle nicht einfachen – Kontaktbeschränkungen gehalten. Vermutlich haben sich aus diesem Grund die Infektionszahlen nicht außergewöhnlich gesteigert.“

Manche kritisieren: Bei weniger als 30 aktuell Infizierten im ganzen Havelland – reagieren wir da nicht völlig über?

Dr. Henning Kellner: „Wir sind als Landkreis nicht der Verordnungsgeber. Wir beschließen die Einschränkungen daher nicht, sondern führen sie für das Land aus. Gleichwohl halte ich diese nicht für übertrieben. Ich bin froh, dass wir durch die Einschränkungen der Eindämmungsverordnung die Infektionszahlen gering halten konnten und das Gesundheitssystem nicht kollabiert ist, wie es in anderen Ländern zu beobachten war.“

Was haben Sie vom Krisenstab für zukünftige Pandemien gelernt?

Dr. Henning Kellner: „Aus jeder Krisensi­tua­tion lernt man für die zukünftige Stabsarbeit etwas, das ist auch gut und richtig so. Nur so kann man sich weiter verbessern und die Arbeit noch professioneller erledigen.

Bisher haben wir hauptsächlich Naturkatastrophenlagen bekämpft, die jetzige Coronaviruslage ist eine völlig andere. Unser Vorteil ist jedoch, dass wir auf eingespielte Strukturen zurückgreifen können. Da es sich bei dieser Lagesituation um eine reine Verwaltungslage handelt, die wir als Katastrophenschutzstab so bisher nicht geübt haben, lässt sich diese sehr gut auswerten, um daraus für zukünftige Lagen zu lernen. Eine genaue Auswertung werden wir dann in Ruhe im Nachgang durchführen.“

Warum hat man im Landkreis eigentlich nie die Information veröffentlicht, wie viele Corona-Infektionen es in den verschiedenen Städten und Gemeinden gegeben hat?

Dr. Henning Kellner: „Das ist eine bewusste Entscheidung zum Schutz der Bevölkerung. Wir wollen verhindern, dass Einwohner von Orten, in denen es weniger Corona-Fälle gibt, leichtsinnig werden. Außerdem kennen wir nur die laborbestätigten Fälle, es gibt aber auch unentdeckte Corona-Erkrankte. Die alleinige Darstellung der bestätigten Fallzahlen kann daher nicht als Grundlage der Gefahrenbeurteilung ausreichen und über die tatsächlichen Verhältnisse hinwegtäuschen. Aus diesem Grund sind alle Havelländer aufgerufen, sich gleichermaßen an die Regelungen der Eindämmungsverordnung zu halten.“ (Fotos: Landkreis Havelland)

Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 171 (6/2020).

Der Beitrag Im Gespräch mit Dr. Henning Kellner vom Krisenstab Havelland! erschien zuerst auf FALKENSEE.aktuell.


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