So fangen leider viel zu viele Actionfilme an. Will Sharp (Yahya Abdul-Mateen II) ist ein Ex-Soldat, der vom System ausgespuckt wurde, nachdem er nicht mehr von Nutzen ist. Seine Frau ist krebskrank, sie braucht eine teure Therapie und die Familie hat kein Geld. Als Will seinen Adoptivbruder Danny (Jake Gyllenhaal) um finanzielle Hilfe bitten möchte, steckt er plötzlich kopfüber in einer ganz üblen Bankräuber-Geschichte.
Der Bankraub geht auch prompt schief – und die beiden sehr ungleichen Brüder finden sich auf einmal mit all dem gestohlenen Geld in einem Rettungswagen wieder, der mit einem höllischen Tempo durch das Zentrum von Los Angelos brettert, dicht verfolgt von einer ganzen Armee Cops. Mit an Bord – ein tödlich angeschossener Polizist (Jackson White) und die taffe Notfallsanitäterin Cam (Eiza González).
Regisseur Michael Bay („Bad Boys“, „Pearl Harbor“, „Transformers“) macht aus dem Action-Plot die ultimative Achterbahnfahrt. „Ambulance“ lässt sich eigentlich nur im Kino auf der ganz großen Leinwand und mit einem erstklassigen Soundsystem genießen. Denn Michael Bay verzichtet zwar komplett auf CGI-Trickeffekte, setzt dafür aber Drohnen ein, die das Geschehen rund um den fahrenden Rettungswagen immer wieder aus völlig neuen Winkeln und Perspektiven zeigen. Rasant schnelle Schnitte, eine oft genug unscharf gezeigte Action und extreme Nahaufnahmen sorgen dafür, dass der Zuschauer keine Minute verschnaufen kann und Mühe damit hat, im schnellen Wechsel der Kamerawinkel sein Popcorn bei sich zu behalten. Hinzu kommt, dass der Soundtrack wummert, brummt und hämmert, als wolle er mit Gewalt dafür sorgen, dass das Herz des Zuschauers schneller schlägt.
Sehr gelungen ist am Anfang, dass der eigentliche Bankraub kaum gezeigt wird. So wird keine Minute vergeudet, denn am Ende geht es ja nur um die titelgebende „Ambulance“ und damit um einen autogesteuerten Ritt durch die Großstadt, wie wir ihn seit „Speed“ mit Keanu Reeves am Steuer nicht mehr gesehen haben.

Das große Problem ist nur, dass im Film während der laaaangen Mitte eigentlich nicht wirklich etwas Neues passiert. Im Drehbuch könnte auch die Zeile stehen: „Die beiden Brüder werden von der Polizei durch LA gehetzt“.
In genau diesem Moment werden die schnellen Schnitte und die ungewöhnlichen Perspektiven plötzlich langweilig. Auf einmal hat man eine Menge Zeit, um sich zu echauffieren. Über die blöde und schon tausend Mal gesehene Idee, dass der gute Bruder den bösen um Hilfe bittet und plötzlich knietief in der Scheiße steckt. Über die zahllosen Logikfehler, die den Zuschauer schnell zu dem Schluss bringen, dass vieles, was da auf der Leinwand passiert, völlig unsinnig ist. Über das Unvermögen von Hollywood, einmal ein paar Dollar mehr in ein gutes Drehbuch zu investieren.
Aber dann nimmt der Film zum Ende hin noch einmal überraschend Fahrt auf und zündet ein paar fette D-Böller mit Wendungen, die man so nicht erwartet hätte. Spätestens dann, wenn die Handlung komplett ins Absurde abdriftet, lässt man sämtliche Bedenken fahren, öffnet alle Sinne und genießt die absolut irre Actionfahrt, die uns Michael Bay hier präsentiert. Am Ende verlässt man das Kino mit zittrigen Knien und weiß: Das ist kein Streifen für den Fernseher Zuhause, das muss man im Kino gesehen haben.
Und wer keinen Sinn für Action hat, der darf sich wenigstens am Schauspiel von Eiza González erfreuen, die sich mit diesem Film definitiv für weitere Rollen empfiehlt. (CS / Bilder: Universal)
Fazit: 4 von 5 Sterne (FSK 16)
Spieldauer: 135 Minuten
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=QiimORYbyz8
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 193 (4/2022).
Der Beitrag Kino-Filmkritik: Ambulance erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).