Krieg in der Ukraine, Corona, Inflation und Energiekrise: All diese Faktoren sorgen dafür, dass unser Alltagsleben nicht mehr so sorgenfrei und unbekümmert stattfinden kann, wie das noch vor drei Jahren der Fall war. Vor allem die Senioren plagen große Sorgen, da sie alle Mehrausgaben nur aus ihrer endlichen Rente bezahlen können. Der Falkenseer Seniorenbeirat lud am 28. November zu einem Sorgengespräch ins Familiencafé Falkenhorst ein.
Kann ich morgen noch meine Miete bezahlen? Wie steigen die Energiekosten? Die Senioren nicht nur in Falkensee plagen in diesen Tagen sehr viele Sorgen. Vor allem fürchten sie, dass sie ihre Wohnungen verlieren, wenn sie die steigenden Energiekosten nicht mehr bezahlen können.
Um den Sorgen eine Stimme zu geben, bat der Falkenseer Seniorenbeirat am 28. November alle Interessierten zu einem gemeinsamen Gespräch ins Familiencafé Falkenhorst. Das liegt strategisch perfekt – mitten in einem der größten Wohnungsgebiete in Falkensee. Ulf Hoffmeyer-Zlotnik hatte deswegen als Vorsitzender des Falkenseer Seniorenbeirats die Geschäftsführer der beiden großen Wohnungsgesellschaften vor Ort eingeladen, nämlich Ralf Rugenstein von der Wohnungsgenossenschaft Falkenhorst eG und Ralf Haase von der städtischen gegefa mbH, der Gesellschaft für Gebäudewirtschaft Falkensee. Alle drei stellten sich ab 15 Uhr den Fragen der gut 50 anwesenden Senioren. Geld für Kaffee und Kuchen hatte die „Partnerschaft für Demokratie zur Verfügung gestellt. Die Diskussionsrunde reihte sich passend dazu in das Format „Willkommen Nachbarn!“ ein.
Keine Frage: Diese Diskussionsrunde hat sich wirklich gelohnt, denn es wurde von allen Seiten sehr viel Klartext gesprochen. Ralf Rugenstein etwa versprach, in den öffentlichen Räumen ein wenig „zivilen Ungehorsam“ zu leisten und sie nicht auf 19 Grad herunterkühlen zu lassen. An die Bewohner richtete er die Worte: „Wie Sie Ihre eigene Wohnung heizen, das ist Ihre eigene Angelegenheit, da gibt es keine gesetzlichen Auflagen. Wir denken auch nicht über eine Temperaturabsenkung beim Warmwasser nach. Das ist nicht geplant, es wäre auch ein zweischneidiges Schwert. Wir hatten schon einmal einen Legionellenbefall bei uns. Wenn die Wassertemperatur nicht hoch genug ist, können sich diese Bakterien leicht vermehren. Ich bitte auch alle Bewohner, nicht immer nur die Spartaste bei der Toilette zu benutzen. Die Fallrohre setzen sich zu, wenn sie nicht ordentlich gespült werden. Dann müssen wir sie für viel Geld freifräsen lassen.“
Die Senioren nutzten sehr gern die Möglichkeit, auch über „ihren“ Falkenhorst zu sprechen. Im Quartier wird bald gebaut, es entstehen viele neue Wohnungen – und zwar auf dem Areal, auf dem früher der Kaisers zu finden war. Eine Seniorin sagte: „Die neuen Bewohner kommen alle mit einem Auto, dann wird es noch gefährlicher für uns, zu Fuß zum NP zu gelangen.“
Ralf Haase erklärte, dass bei dem Bauprojekt im Zusammenhang mit dem sozialen Wohnungsbau noch eine Freigabe des Ministeriums fehlen würde. Die gegefa würde aber am Ende für die neuen Wohnungen verantwortlich sein und diese schlüsselfertig zum Vermieten vom Investor übernehmen. Haase: „Nach der Freigabe durch das Ministerium für eine Förderung muss auch die Stadtverordnetenversammlung noch ihre Zustimmung zum Bebauungsplan geben. Ich denke, bis zum Beginn der Baumaßnahmen kann es noch zwei Jahre dauern.“ Die Rede sei vor Ort von etwa 300 bis 350 Wohneinheiten.
Auf die Frage, warum die Stadt so viele Baugenehmigungen für Großprojekte im Wohnungsbau vergibt, wenn die Infrastruktur doch gar nicht mehr hinterherkommt, meldete sich Peter Kissing als Mitglied der SVV: „Die Parteien haben begriffen, dass es so nicht weitergeht. Es wird in Falkensee keine weiteren großen Bauprojekte für Wohnungen mehr geben. Das letzte wird das neben dem famila-Markt sein. Die Infrastruktur von Falkensee gibt das einfach nicht mehr her. In der Spandauer Straße klopfen die Investoren auch schon an, aber das wollen wir nicht.“
Angesichts der wenigen Einkaufsmöglichkeiten im Falkenhorst kam die Frage auf, warum man beim Bau neuer Wohnhäuser etwa bei der degewo nicht gleich auch Ladenflächen im Erdgeschoss mit einplanen würde, damit die Menschen ihre Besorgungen im Quartier erledigen können. Ralf Rugenstein wies, ohne dass es seine Zuständigkeit war, auf einen Fakt hin: „Als die aktuellen Bauprojekte geplant wurden, war die Adlerpassage noch viel besser mit Ladengeschäften bestückt, als dies heute der Fall ist.“
Peter Kissing von der Falkenseer SVV: „Wir haben uns als Abgeordnete sehr geärgert, als Kaisers weggegangen ist. Wir können aber leider niemanden zwingen, zu bleiben oder etwas Neues aufzubauen. Das ist die freie Marktwirtschaft.“ Im Zuge der Quartiersentwicklung soll aber ein neuer großer Versorger kommen.
Ralf Haase: „Die Anbieter benötigen heute größere Flächen, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Deswegen gab es für das kleine Kaisers-Areal nie einen Nachmieter. Jetzt wird neu gebaut – aber nicht mehr mitten im Quartier, sondern „vorne“ an der Coburger Straße.
Ulf Hoffmeyer-Zlotnik würde gern vor dem NP-Einkaufsgeschäft eine Bank sehen, damit sich Senioren vor dem Nachhauseweg noch einmal hinsetzen können.
Dem widersprach Ralf Rugenstein: „Wir von der Genossenschaft haben im Quartier Bänke aufgestellt. Wir haben uns im Anschluss daran mit der Jugend konfrontiert gesehen. Die hat sich an den Bänken zu unchristlichen Zeiten getroffen und so lautstark für Ruhestörungen gesorgt, dass uns mit Mietminderung gedroht wurde. Wir haben die Bänke wieder entfernt und wehren uns vehement gegen Pläne, neue aufzustellen.“
Ein großes Thema blieb am Ende die Energie. Sowohl die Genossenschaft als auch die gegefa signalisierten ganz klar, dass niemand seinen Mietvertrag verlieren würde, weil er seine zusätzlichen Energiekosten nicht sofort bezahlen kann. Klar wurde aber auch, dass die zusätzlichen Kosten am Ende doch abgeführt werden müssen – etwa durch Ratenzahlung. Die gegefa rechnet zurzeit mit einer Kostenerhöhung von 60 Prozent bei der Fernwärme, die Genossenschaft geht von 100 Prozent beim Gas aus.
Eine Frage war, ob die Energiepreise wieder sinken werden, sobald der Krieg in der Ukraine vorbei ist. Ralf Rugenstein wurde deutlich: „Den Zahn muss ich Ihnen leider ziehen: In den kommenden Jahren werden die Energiepreise nicht wieder sinken. Energie war viele Jahre sehr günstig, das funktioniert jetzt nicht mehr.“
Immerhin denkt die Genossenschaft darüber nach, in die Stromerzeugung mit einzusteigen. Am liebsten wäre es der Genossenschaft, die eigenen Dachflächen an einen Photovoltaic-Anbieter zu vergeben, um über einen günstigeren Stromtarif (Stichwort Bürgerstrom) an der Produktion beteiligt zu werden. (Text/Fotos: CS)
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 202 (1/2023).
Der Beitrag Wohnungssorgen: Seniorenbeirat Falkensee lud zum Gespräch im Familiencafé Falkenhorst! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).