Emotionale Intelligenz ist die Währung des 21. Jahrhunderts. Wer Emotionen in seinem Gegenüber sicher erkennt, liest die Menschen besser – mit großen Vorteilen im privaten und beruflichen Umfeld. Dirk Eilert aus Dallgow-Döberitz gilt als der Mimik-Experte Deutschlands. Er entschlüsselt die geheime Macht der Körpersprache. In seiner 2001 gegründeten Eilert-Akademie hilft er anderen Menschen dabei, es ihm gleichzutun. (ANZEIGE)
Sie werden als Mimikexperte auch von der Polizei gebucht – für welche Fälle?
Dirk Eilert: „Da geht es gar nicht um spezielle Fälle. Eher darum, z.B. Sondereinheiten der Polizei zu schulen, die es mit Geiselnehmern zu tun bekommen oder die gerufen werden, weil jemand auf dem Hochhaus steht und einen Suizid begehen möchte. Hier trainiere ich mit den Beamten, damit diese ihr Gegenüber besser lesen können. Es gilt zu erkennen, was los ist und in welcher emotionalen Lage sich die andere Person gerade befindet. Auf diese Weise lässt sich die Verhandlungsstrategie entsprechend anpassen.
Man kann es übrigens erkennen, dass jemand ganz kurz davor ist, in einer Extremsituation die geplante Handlung auch tatsächlich zu vollziehen. Dann kommt es zum sogenannten Hinckley-Face, das auch ‚Attentätergesicht‘ genannt wird. Der Name kommt von John Hinckley, der am 30. März 1981 das Attentat auf US-Präsident Ronald Reagan begangen hat. Die Mitarbeiter vom Secret Service haben berichtet, dass John Hinckley unmittelbar vor dem Attentat eine ganz besondere Mimik gezeigt hat. Dieses Gesicht vor einem körperlichen Angriff wird gekennzeichnet durch den stechenden Blick. Dabei ziehen wir die Augenbrauen zusammen und gleichzeitig die Oberlider nach oben. Das ist kulturübergreifend das Anzeichen für die Emotion Wut. Wut stellt als Emotion die Energie zur Verfügung, die wir für einen Angriff brauchen. Das Hinckley-Face wurde bei vielen anderen Attentaten und Übergriffen ebenfalls nachgewiesen.“
Kann ich eigentlich in meiner Partnerschaft erkennen, ob meine Frau morgen noch mit mir zusammen ist?
Dirk Eilert: „Ja, da gibt es sehr spannende Studien. John M. Gottman hat für eine solche Vorhersage etwa das Konfliktgespräch als Grundlage verwendet. Gottman hat dazu Paare in sein Labor gebeten und sie aufgefordert, 15 Minuten lang miteinander über ein Thema zu sprechen, bei dem sie sich nicht einig sind. Der klassische Mann sagt dann oft: Eigentlich sind wir uns überall einig. Und die klassische Frau erwidert darauf häufig: Oh, ich wüsste da schon ein Thema. Und nach fünf Minuten ist bereits die schönste Diskussion im Gange. Das alles wird gefilmt. Anschließend wertet das Laborteam das Gespräch aus. Wichtig ist dabei, welche Signale sich wann und wie oft zeigen.
Diese Studien waren sehr aufwändig. Was dabei aber herausgekommen ist, ist phänomenal. Wir können demnach mit einer Trefferquote von 93,6 Prozent voraussagen, ob ein Paar in den nächsten drei Jahren zusammenbleibt oder sich trennt.
Bei der Auswertung achten wir auf einen besonders wichtigen Marker – und das ist die Verachtung, die vor allem nonverbal ausgedrückt wird. Da sehen wir etwa bei einem Partner ein einseitiges Einpressen des Mundwinkels. Oder ein einseitiges Hochziehen der Oberlippe. Es kann auch zu einem Augenrollen kommen. Ein verbales Zeichen von Verachtung kann auch ein Nachäffen sein.
Sollten die Mimiksignale für Verachtung im Rahmen des Konfliktgesprächs nicht nur einmal auftreten, sondern wiederholt, dann ist das ein absolutes Warnsignal dafür, dass die Ehe immer instabiler wird.
Gottman hat herausgefunden: Beträgt das Verhältnis von Positiv- zu Negativsignalen mindestens 5:1, so gilt die Beziehung als stabil. Positivsignale können etwa Momente gemeinsam geteilter Freude sein. Kippt das Verhältnis aber in Richtung Negativsignale, wird es kritisch und es geht in Richtung Beziehungsende.“
Kann ich auch auf meiner Arbeit sehen, dass mir vielleicht schon bald die Kündigung droht?
Dirk Eilert: „Oh ja, natürlich. Und zwar sehr genau. Stellen wir uns einmal vor, dass ich als Angestellter etwas tue. Der Chef lobt mich und hat dabei lachende Augen. Das bedeutet, dass der äußere Augenringmuskel kontrahiert. Das ist ein Zeichen von Freude. Da kann ich mir sicher sein: Dem Chef gefällt das, was ich gemacht habe.
Ist der Chef unzufrieden, kann ich Ärger sehen. Das ist nicht schlimm. In der Paarforschung konnte man nachweisen, dass Ärger kein Prognosekriterium dafür ist, dass sich das Paar irgendwann trennt. Studien haben sogar gezeigt, dass ausgedrückter Ärger in einem Team konstruktiv ist und die Leistung steigern kann. Ärger bedeutet, dass wir immer noch eine Beziehung haben.
Signale von Enttäuschung beim Chef sind ähnlich einzuordnen, hier muss ich allerdings bereits vorsichtig sein. Kommt die Enttäuschung immer wieder – und das erkenne ich kulturübergreifend daran, dass die Augenbraueninnenseiten hochgehen, sich Querfalten im Stirnzentrum bilden und die Mundwinkel etwas heruntergehen -, dann kann sie in Resignation münden.
Das ist bereits eine ganz andere Energie. Beim Ärger bin ich noch am Problem dran, da habe ich als Chef noch eine Lösungs- und eine Handlungsenergie. Enttäuschung aber gehört bereits zur Emotionsfamilie Trauer. Das ist eine Vermeidungsemotion. Bei der Resignation sagt sich der Chef: Es hat ja eh keinen Sinn.
Richtig problematisch wird es, wenn sich das weiter steigert und auf Ärger, Enttäuschung und Resignation die Verachtung folgt. Verachtung bedeutet: Ich ziehe mich aus der Situation heraus. Verachtung wertet die andere Person ab. Das kann durchaus zu einer Kündigung führen.
Übrigens: Ist die Verachtung statt beim Chef beim Mitarbeiter zu sehen, so ist das ein erster Hinweis auf eine innere Kündigung. Zeigt ein Mitarbeiter diese Signale von Verachtung immer wieder, heißt das, dass er sich herauszieht. Er fühlt sich nicht mehr als ein Teil der Firma.“
Es lässt mich nicht los, das mit dem „Bachelor“. Sie haben bei sieben Staffeln „Bachelor“ schon nach der allerersten Folge richtig vorhergesagt, welche Frau am Ende gewinnt. Nun habe ich ein paar Sendungen gesehen und weiß, in der ersten Folge begrüßen die sich ja nur. Es geht nur um die allererste Sympathie. Ist die so wichtig, dass sie bis ins Finale greift?
Dirk Eilert: „Ja. Wir brauchen nur 100 Millisekunden, um jemanden in eine Schublade zu stecken. Anschließend kommt es zum sogenannten Bestätigungsfehler. Wir filtern in der Folge alle Wahrnehmungen danach, dass sie unsere Erwartungen bestätigen.
Beim Bachelor passiert ja alles in einer ziemlich kurzen Zeitspanne, anders würde meine Vorhersage nicht funktionieren. Da zählt der erste Eindruck einfach noch unfassbar stark. Das mache ich mir zunutze. Und meine Vorgehensweise ist auch wirklich simpel. Zunächst einmal achte ich nicht auf mein Bauchgefühl, das schalte ich komplett aus. Ansonsten würde ich vielleicht verstärkt auf das Äußere schauen und darauf achten, ob die Paare rein optisch zusammenpassen oder nicht. Stattdessen beobachte ich wirklich knallhart nur die nonverbalen Signale und führe eine Strichliste.
Dazu müssen wir verstehen, was beim Flirten im Kopf passiert. Sehen wir als Mann eine schöne Frau, so ist unser erste Gedanke, wow, die ist aber attraktiv. Da springt das Belohnungsznetzwerk im Kopf an. Der zweite Gedanke ist aber, oh Gott, mach jetzt bloß keinen Fehler. Das ist unser Stressnetzwerk. Beide Netzwerke brauchen wir bei einer sexuellen Annäherung.
Darauf achte ich beim Bachelor. Ich suche nach sogenannten Annäherungssignalen. Das sind lachende Augen, der Kopf geht leicht zur Seite, auch der Dreiecksblick ist ein Klassiker. Zum Dreiecksblick: Zwischen Augenbrauen und Mund wird mit dem Blick ein Dreieck gebildet. Wir kennen das aus der typischen Nachhausebring-Szene. Kurz bevor sich das Paar küsst, geht der Blick immer auf den Mund. Studien zeigen: Je tiefer der Blick am Körper nach unten wandert, umso größer ist das sexuelle Interesse.
Gleichzeitig achte ich auf Stresssignale. Ich bewerte eine angespanntere Körperhaltung, ein leichtes Hochziehen der Schultern, eine erhöhte Blinzelrate, ein Kratzen im Gesicht als Beruhigungsgeste oder aber ein Lecken der Lippen.
Beim Bachelor führe ich also eine Strichliste mit Annäherungs- und Stresssignalen. Meine Theorie: Treten die Signale etwa im gleichen Verhältnis auf, dann ist die Wahrscheinlichkeit enorm groß, dass dieses Pärchen zusammenfindet. Ich habe also nur geguckt, welche Kandidaten sich am meisten der Eins meines Flirtquotienten annähern. Genau das ist der Trick und funktioniert übrigens auch im wahren Leben hervorragend.“ (Text/Fotos: CS)
Info: Eilert-Akademie | The Science of Emotions, Frieda-Arnheim-Promenade 14, 13585 Berlin, Tel.: 030-166369620, www.eilert-akademie.com
Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 201 (12/2022).
Noch ein Interview mit Dirk Eilert lesen Sie HIER!
Der Beitrag Eilert Akademie in Spandau: Wie erkenne ich, ob mich mein Schatz bald verlässt? erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).