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Channel: Seite 1710 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
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Neujahrsempfang der Europa-Union Havelland: Europa muss seiner Rolle gerecht werden!

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Die Europa-Union Deutschland bricht eine Lanze für die europäische Idee. Ihre Mitglieder kommen aus nahezu allen politischen Farben. Sie möchten die Politik der EU auch für den ganz normalen Bürger erfahrbar machen – und laden immer wieder zu spannenden Vorträgen und Diskussionen ein. Das war auch beim diesjährigen Neujahrsempfang des Kreisverbandes Havelland nicht anders.

In der Pfannkuchenschmiede in Karls Erlebnisdorf bei Elstal war am 8. Januar schon morgens kein Platz mehr frei. Traditionell lädt der Kreisverband Havelland der Europa-Union seine Mitglieder und auch interessierte Bürger an diesen urigen Ort ein, um den alljährlichen Neujahrsempfang einzuläuten. In diesem Jahr folgten an die die 80 Gäste der Einladung.

Hans-Ulrich Benra, stellvertretender Vorsitzender vom Kreisverband Havelland, stimmte die Anwesenden, darunter auch die Vizepräsidentin des Landtags Barbara Richstein (CDU) sowie der Landtagsabgeordnete Johannes Funke (SPD), darauf ein, dass es in den kommenden Stunden einmal nicht um das Havelland, sondern um die globale Politik gehen würde – auf Europa heruntergebrochen: „Das Havelland mag weit weg sein von Brüssel. Aber trotzdem sind wir hier mitten in Europa. Wir als Europa-Union möchten deshalb das Bewusstsein für europapolitische Themen schaffen und gleichzeitig die Möglichkeit eröffnen, dass Bürger und Entscheidungsträger ganz unbefangen zu diesen Themen miteinander diskutieren können.“

Stefan Rosenbohm, der Vorsitzende vom Kreisverband Havelland, konnte diesen kosmopolitischen Bogen sehr gut schlagen. Er meldete sich nämlich aus Hongkong und ließ sich per Fernschalte auf die großen Leinwand einblenden. Er nutzte die Gelegenheit als langjähriger Fernost-Akteur sogleich, um über die gravierenden Veränderungen allein in Hongkong während der letzten Monate zu sprechen: „Wir befinden uns in Zeiten, in denen sich fortlaufend Dinge ändern, die wir lange für unumstößlich hielten. Da müssen wir nur an die Ukraine denken.“

Dass der alte chinesische Fluch „Mögest du in interessanten Zeiten leben“ nur allzu wahr geworden ist, davon wusste auch Ursula Nonnemacher, Brandenburgs Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz, zu erzählen. Die Falkenseerin sah vor allem die Abhängigkeit Deutschlands vom Ausland auf dem Prüfstand. Sie sagte in ihrem Grußwort: „Wir müssen unsere fatale Abhängigkeit von Russland bei der Energie beenden. Und wir müssen auch unser Verhältnis zu China überdenken. Wir sind viel zu sehr von den Lieferketten aus China abhängig. Schon zu Beginn der Corona-Pandemie standen wir plötzlich ohne schützende Masken da, weil China nicht liefern konnte. Nun bemerken wir die Abhängigkeit von China im Pharmabereich. Wir haben zurzeit eine massive Erkrankungswelle, aber es gibt keinen Fiebersaft für Kinder mehr. In China ist eine wichtige Fabrik explodiert, die ein ganz bestimmtes Antibiotikum hergestellt hat. Auch bei wichtigen Krebsmedikamenten fehlt der Nachschub. Die EU muss hier dringend in die eigene Produktion gehen und die Abhängigkeit von externen Anbietern reduzieren oder ganz abstellen.“

Ursula Nonnemacher (B90/Die Grünen) nannte ferner das Fischsterben in der Oder im Sommer 2022 als ein Beispiel dafür, wie die globalen Klimaveränderungen bereits Wirkung in Deutschland zeigen: „Wir hatten in der Oder Millionen Tonnen toter Fische. Das hat uns riesig geschockt. Die Aufarbeitung hat sich lange hingezogen. Jetzt ist klar und bewiesen, dass sich die Goldalge Prymnesium parvum explosiv vermehrt hat. Deren Gift mit dem Namen Prymnesine hat die Fische sterben lassen. Diese Goldalge lebt normalerweise nur in salzigem Brackwasser. Drei Faktoren kamen in der Oder zusammen, um die Massenvermehrung zu begünstigen: Wir hatten einen echten Hitzesommer mit extrem hohen Wassertemperaturen. Wir hatten außerdem einen extremen Niedrigwasserstand. Und es gab hohe Salzfrachten in der Oder. Hier müssen wir ran an Polen und fragen: Wer leitet hier immer wieder Salz ein? Generell heißt das aber auch: Das kann uns diesen Sommer wieder passieren.“

Die Keynote beim Neujahrsempfang der Europa-Union Havelland hielt der Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky, der seit 2019 für B90/Die Grünen im Europäischen Parlament sitzt. Er hielt ein deutliches Plädoyer für das Konstrukt der „Europäischen Union“ und sagte: „Wir haben gezeigt, dass wir kein Anhängsel der USA sind.“

Der Europa-Politiker sieht aber die zwingende Notwendigkeit, und das am besten im laufenden Jahr, dass sich Europa neu erfindet – als handlungsfähiger Akteur, der seine eigene Linie findet und seine eigenen Werte hochhält: „Nach dem Angriff von Russland auf die Ukraine stehen wir plötzlich vor einem Scherbenhaufen der Normen. Ganz egal, ob es um das Völkerrecht oder die Wirtschaft geht, nach dem Krieg muss das alles ganz neu geordnet werden. Europa und vor allem auch Deutschland muss dabei eine führende Rolle einnehmen. Ich vermisse, dass Kanzler Scholz aktiv nach vorn geht und diese Rolle ausfüllt. Er darf dies nicht den polnischen und den baltischen Kollegen überlassen. Sonst sind wir nach dem Krieg in den Augen der EU-Kandidaten noch weiter beschädigt, als dies jetzt bereits der Fall ist.“

Und ganz klar formulierte er: „Die EU ist nicht nur ein Wirtschaftsraum, sondern ein Raum der gemeinsamen Werte. Die Frage ist, wie entwickeln wir die EU weiter, wie machen wir sie fit für die kommenden Jahrzehnte?“

Einen großen Fehler sah Sergey Lagodinsky in dem Fakt, dass es die Länder bislang versäumt haben, die Errungenschaften der Europäischen Union auch den Menschen zu vermitteln. Was die EU tut und anordnet, das ist immer viel zu weit weg vom Alltag der Bürger: „Was die EU tut, geht nicht nur die Mitgliedstaaten etwas an. Auch die Zivilgesellschaft gehört mit dazu. Wir müssen sie mitnehmen in das neue Jahr. Und wir müssen den Menschen klarmachen: Die EU hat sich bewährt in all den Krisen der letzten Jahre. Sie bewährt sich aber nur dann weiter, wenn wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen.“

Während auf den Neujahrsempfängen der Region ansonsten immer nur das unmittelbare lokalpolitische Umfeld im Auge behalten wird, konnten die vielen Besucher beim Empfang der Europa-Union die ganz, ganz große Politik bereden.

CDU-, SPD- und grüne Politiker gingen bei heißen Eierkuchen von Karls und kalten Getränken direkt in die Diskussion. Dieser erfrischende und durchaus auch kritische Blick auf Europa soll das ganze Jahr über bei weiteren Veranstaltungen zum „Europäischen Salon“ (Termine auf www.europa-union-havelland.de) beibehalten werden. (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 203 (2/2023).

Der Beitrag Neujahrsempfang der Europa-Union Havelland: Europa muss seiner Rolle gerecht werden! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


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