So, das war es also. Nach 182 Minuten im Kinosessel ist „Avengers – Endgame“ vorbei – und das ganz ohne Pause. Am Ende wird – und das ist der einzige Spoiler, den ich mir an dieser Stelle gönne – kurz im Saal gebuht, denn es gibt keine After-Credit-Szene, die einen Ausblick auf das gibt, was da noch kommen mag.
2008 kam „Iron Man“ ins Kino. Der Film trat etwas los, was seitdem als das große „Marvel Cinema Universe“ bezeichnet wird. 22 leichtfüßige, humorvolle, actionlastige Superhelden-Filme mit viel Herz und Mut griffen immer wieder geschickt ineinander und schufen so eine einzige, großartige Geschichte, die über ein ganzes Jahrzehnt hinweg erzählt wurde. So etwas gab es vorher im Kino noch nie.
Die beiden Regisseure Anthony und Joe Russo zündeten letztes Jahr mit dem dritten Avengers-Film „Infinity War“ den ersten Teil vom ganz großen Finale: Der kosmische Bösewicht Thanos sammelte die machtvollen Infinity Stones ein. Am Ende reichte ein Fingerschnippsen aus, um die Hälfte allen Lebens im Universum auszulöschen. Auch viele unserer Lieblings-Superhelden wie Spider-Man, Black Panther oder Doctor Strange lösten sich am Ende des Films in Asche auf, die vom Wind verweht wurde.
Ach du heilige Scheiße! Das können die doch nicht ernsthaft machen, oder? Drei Mal habe ich „Infinity War“ bereits gesehen. Jedes Mal wirkte das perfekt inszenierte Spektakel noch einen Tacken aufregender, weil man als Fan immer wieder neue Details entdeckt.
Und jetzt das! Passend zum Nachfolger „Endgame“ wurden bereits im Vorfeld zahllose Fan-Theorien veröffentlicht. Man würde Thanos gleich am Anfang besiegen, damit anschließend ein noch viel größerer Gegner in Stellung gebracht werden kann. Die Avengers würden durch die Zeit reisen, um Thanos Handlungen ungeschehen zu machen. Die Toten wären gar nicht tot, sondern würden in einem neuen Universum weiterleben, das dann in Phase IV des großen Marvel-Plans zum neuen Mittelpunkt der nun folgenden Filme wird. Ich will gar nicht verraten, was davon stimmt und was nicht. Spoiler vermiesen ja allen, die den Film noch nicht gesehen haben, nur das Vergnügen.
Ich kann nur sagen, dass ich nach drei Stunden Kino aufgestanden bin – und recht enttäuscht war. So perfekt sich der Vorgänger angefühlt hat, so schlapp, leer und uninspiriert wirkt leider der Nachfolger.

Am Anfang dauert es ewig, bis die Handlung in Gang kommt. Die Zeit dehnt sich im Kino und der Zuschauer denkt sich ein erstes Mal, dass die drei Stunden Spieldauer vielleicht doch nicht eine sooo gute Idee waren. Dann knallt es natürlich auf dem Bildschirm. Aber während bei „Infinity War“ die Helden dank räumlicher Trennung voneinander jeder für sich strahlen konnten, stehen sich bei „Endgame“ alle Fanlieblinge nur in übertriebener Kampfpose gegenseitig im Weg herum. Die meisten Superhelden könnte man glatt aus dem Film streichen – und niemandem würde es auffallen. Schade ist auch, dass Captain Marvel nur als hübscher Haudrauf eingesetzt wird und ansonsten ebenfalls kein bisschen Charakter zeigen darf.
Schaut man sich „Endgame“ unter der harschen Kritikerlupe an, so wirkt es, als würde sich kaum ein Charakter wirklich weiterentwickeln. Bei aller Bemühung fehlt es an echter Tiefe. Und wenn man sich ansieht, was der Film aus Pepper Potts und aus dem armen Thor macht, dann kann man nur unter größtem Missbehagen sagen: Hier hat man die Charaktere der Figuren bis zum Maximum verbogen – nie würden sie so handeln wie im Film.
Klar: „Endgame“ bietet grandiose Actionszenen, tolle Raumschiffe, irre Effekte, Cameos aller Superhelden ohne Ende, ein paar echt unerwartete Wendungen, den typischen Marvel-Humor und wirklich schockierende Opfer. Aber – es fehlt das Herz. Fast scheint es so, als hätten sich die Russo-Brüder nach „Infinity War“ auf einen Kaffee zusammengesetzt und diesen Dialog geführt: „Und – wie geht‘s jetzt weiter?“ – „Woher soll ich das wissen? Ich dachte, DU hättest ne gute Idee.“ – „Na, dann lass sie sich doch einfach alle ordentlich verdreschen. Das wollen die Leute doch sehen.“
Es ist schade: „Endgame“ hätte der eine richtig große Film sein können, der Urknall des „Marvel Cinema Universes“. Jetzt habe ich den Eindruck, den Knall haben wir bereits bei „Infinity War“ gesehen. Und „Endgame“ ist nur so etwas wie eine etwas zu lang geratene Post-Credit-Szene.
Dazu passt auch die Meldung von Kinochef Kevin Feige, der gesagt hat, dass „Avengers: Endgame“ gar nicht der letzte Film der Phase III des Marvel-Universums ist. Sondern dass „Spider-Man – Far from Home“ (Kinostart am 4. Juli) das letzte Puzzlestück der Phase sein wird. Vielleicht habe ich ja bis dahin das Gefühl der Enttäuschung überwunden, das „Endgame“ bei mir hinterlassen hat. (CS / Bild: © Disney / Marvel Studios 2019)
Tipp: 3 von 5 Sternen
FSK: ab 12 Jahren
Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=4EFoz_6cy2Q
Dieser Artikel stammt aus „FALKENSEE.aktuell – Unser Havelland“ Ausgabe 158 (5/2019).
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