Quantcast
Channel: Seite 1710 – Unser Havelland (Falkensee aktuell)
Viewing all articles
Browse latest Browse all 4136

Rose aus Falkensee ist trans – und erzählt ihre Geschichte!

$
0
0

Rose Vandrey ist 19 Jahre alt. Sie ist in Falkensee aufgewachsen. In der Gartenstadt hat sie die Diesterweg-Grundschule besucht und hat ihr Abitur auf dem Vicco-von-Bülow-Gymnasium bestanden. Seit vielen Jahren tanzt sie im „Tanzensemble Regenbogen“. Ihre Heimatstadt wird sie nun verlassen, um in Hamburg eine Ausbildung in den Bereichen Schauspiel, Tanz und Gesang zu absolvieren. Die Besonderheit: Im letzten Jahr war Rose rein biologisch noch ein Junge.

Rose war ein Junge, jetzt ist sie eine junge Frau. Die Falkenseerin ist trans – und hat das große Glück gehabt, bei ihrer Selbstfindung viel Verständnis und Unterstützung zu erfahren – von ihren Eltern, von Ärzten, von Lehrern und von Mitschülern. Da dies nicht selbstverständlich ist, traut sie sich nun den Schritt in die Öffentlichkeit zu, um das Thema „Leben im falschen Körper“ so aufzugreifen, dass es anderen Kindern und Jugendlichen vielleicht eine Hilfe und Unterstützung ist.

Roses Vater ist Olaf Vandrey, der in Falkensee eine IT-Firma betreibt. Er erinnert sich: „Dass Rose ein ganz besonderes Kind ist, zeigte sich bereits im Kindergarten. Sie passte nicht in die gesellschaftliche Rolle eines Jungen hinein.“

Rose Vandrey: „Ich wollte immer schon gern Mädchenkleidung tragen. Als ich etwa vier Jahre alt war, bekamen mein Zwillingsbruder und ich eine Verkleidekiste geschenkt. Mein Bruder hat sich als Indianer verkleidet, ich wollte immer die Prinzessin sein. Ich bin auch im rosa Prinzessinnenkleid in den Kindergarten gegangen. Diese Kiste war sehr wichtig für mich: Ich habe gesehen, dass es für meine Eltern okay ist, wenn ich Kleider mag.“

Olaf Vandrey: „Rose hat eine große Schwester. Was sie nicht mehr getragen hat, hat Rose bekommen.“

Rose Vandrey: „In der Grundschule hat sich immer mehr gezeigt, dass ich anders war als die anderen Jungs. Ich wollte kein Fußball spielen und habe vor allem Freundinnen gehabt. In der Grundschule musste ich mich zunehmend anpassen, da haben die Kinder schon komisch geschaut, wenn ich Mädchenkleider angezogen habe. Sie haben mich dann immer gefragt, ob ich ein Junge oder ein Mädchen bin. Ich habe das mit den Kleidern dann etwas zurückgeschraubt, damit ich weniger Aufmerksamkeit bekomme. Ich sollte mich mitunter vor anderen Kindern ausziehen, um zu beweisen, dass ich doch ein Junge bin. Sie sind mir sogar bis aufs Klo nachgelaufen, um zu gucken. Ich habe lange in der Schule nichts getrunken oder gegessen, damit ich nur ja nicht auf die Toilette gehen muss. Meine Therapeuten haben gesagt, das Problem haben viele Trans-Kinder in ihrer Schulzeit gehabt.“

Olaf Vandrey: „Wir dachten als Eltern lange Zeit, dass unser Sohn vielleicht schwul sei. Was auch völlig in Ordnung gewesen wäre.“

Rose Vandrey: „So etwa mit 14 Jahren habe ich eine Dokumentation im Internet gesehen. Da ging es um Trans-Menschen, die sich im falschen Körper fühlen, weil sie das falsche Geschlecht haben. Da wusste ich, ich bin trans. Und – es gibt noch mehr Leute wie mich. Und es gibt eine Behandlung. Ich hatte dann mein Coming out – ich bin nicht schwul, ich bin trans. Für mich war auf einmal alles ganz klar, ganz verständlich. Ich hab mir gesagt, natürlich, das muss es sein, so fühlt es sich richtig an. Ich habe das erst meiner Mutter gesagt und sie sollte es meinem Papa beibringen.“

Olaf Vandrey: „Eine richtige Schockreaktion gab es nicht, auch nicht bei den Großeltern. Richtig offiziell haben wir das bei der Jugendweihe gemacht, da kam die ganze große Familie zusammen. Uns war klar: Wir gehen mit einem Jungen zur Jugendweihe und mit einem Mädchen wieder nach Hause. Meine Frau hat für die Veranstaltung eine Abschiedsrede an den Jungen und eine Willkommensrede an das Mädchen geschrieben. Da flossen schon ein paar Tränen. Von da an gab es auch nur noch den Namen Rose.“

Übrigens auch in der Schule. Rose Vandrey: „Ich hatte mein Coming Out in der Schule in der achten Klasse. Wir hatten zuerst Gespräche mit meiner Klassenlehrerin und mit der Schulleitung. Dann erst habe ich es den Mitschülern gesagt. Die Reaktionen waren viel positiver, als ich das gedacht habe. Ich kenne so viele negative Geschichten, wo das nicht gut ausgegangen ist. Ich habe zum Glück nie direkte Ablehnung erfahren. Viele Klassenkameraden waren interessiert und haben Fragen gestellt. Ich war auch nicht die erste Trans-Person an der Schule. Es gab vor mir wohl schon zwei andere. Aber die haben das anscheinend nicht offen gezeigt.“

Wie bewältigt man als Trans-Mädchen eigentlich die ersten romantischen Untiefen? Rose Vandrey: „Man sagt immer, jede Trans-Frau beginnt ihr Leben als schwuler Mann. Ich konnte mit Mädchen im romantischen Sinne nie etwas anfangen. Ich empfinde mich als heterosexuelle Frau. In der Schule war das für mich aber schwierig mit den Jungs. Ich hatte das Gefühl, sie wollten mit mir nichts zu tun haben. Aber das war mir zu der Zeit auch gar nicht so wichtig. Ich hatte genug damit zu tun, erst einmal mit meinem eigenen Körper klarzukommen. Ich habe mich ganz auf mich selbst konzentriert. Als Trans-Mädchen hätte ich mir in der Schule aber genderneutrale Umkleiden oder Toiletten gewünscht.“

Olaf Vandrey: „Was ich persönlich als Vater sehr wichtig finde, das ist die frühzeitige Betreuung durch einen Arzt. Wir hatten das große Glück, in Falkensee auf einen Kinderarzt zu treffen, der bei der J1-Untersuchung gleich die richtigen Schlüsse gefunden hat und mit dem Thema bereits vertraut war. Er kannte die richtigen Leute und hat uns zu Endokrinologen und Psychologen vermittelt. Nur so ist es gelungen, die hormonelle Entwicklung gleich am Anfang der Pubertät zu stoppen. Sonst wäre Rose heute nicht so ein hübsches Mädchen – und auch ihre Stimme wäre viel tiefer. Manchmal ist es eben nicht gut, sich zu viel Zeit zu lassen.“

Klar war Rose und der Familie, dass es eine geschlechtsangleichende Operation geben würde. Diese wird aber erst nach vielen psychologischen Sitzungen und der Hormontherapie durchgeführt – und zwingend erst nach dem 18. Geburtstag.

Rose Vandrey: „Die schwierigste Zeit war für mich das Alter zwischen 14 und 18. Und das meine ich auch rein organisatorisch. Auf dem Papier ist von einem Jungen die Rede und vor einem steht ein Mädchen. Das war beim Bezahlen mit einer EC-Karte ein Problem, aber auch beim Verreisen mit dem Pass. Zum Glück gibt es da ein zusätzliches Papier, einen Ergänzungsausweis. Vor der Operation muss man auch eine Namens- und Personenstandsänderung beantragen, anschließend bekommt man eine neue Geburtsurkunde. Krass war schon, dass ich mich vor der Operation nicht mehr getraut habe, schwimmen zu gehen. Da hätte man ja gesehen, dass meine Anatomie nicht zum Bikini passt.“

Die Operation vom Mann zur Frau fand im August 2021 in München statt. Rose Vandrey: „Ich hatte ganz schön Panik. Ich hatte mich sehr gut vorbereitet auf die OP und auch meine Facharbeit in der Schule über das Thema geschrieben. Aber ich war vielleicht zu gut vorbereitet, ich wusste, was die da tun werden. Die OP war auch mitten in der Corona-Zeit. Es gab Probleme, weil meine Eltern mich kaum besuchen durften. Glück hatte ich aber auch. Normalerweise gibt es nämlich ein halbes Jahr später noch eine Korrektur-OP. Nur ist die erste Operation bei mir so gut ausgefalllen, dass ich mir diese zweite OP ersparen konnte.“

Wie geht es nun weiter? Rose Vandrey: „Die Operation fühlt sich an wie ein Endspurt. Danach denkt man, jetzt muss man glücklich und zufrieden sein. Ich bin aber immer noch nicht so glücklich, wie gedacht. Ich muss mich erst noch an diesen neuen Körper gewöhnen, den ich mir so lange gewünscht habe. Jetzt fängt mein neues Leben erst an. Bei meiner Ausbildung an der Stage Musical Schule habe ich nun natürlich auch etwas selbst gewähltes Pech: Als Mann hätte ich sofort ein Stipendium bekommen, als Frau bin ich nun eine unter sehr vielen.“ (Text/Fotos: CS)

Dieser Artikel stammt aus „Unser Havelland“ Ausgabe 194 (5/2022).

Der Beitrag Rose aus Falkensee ist trans – und erzählt ihre Geschichte! erschien zuerst auf Unser Havelland (Falkensee aktuell).


Viewing all articles
Browse latest Browse all 4136